Intelligenzminderung

I. Intelligenzminderung (F7)

Eine Intelligenzminderung ist eine sich in der Entwicklung manifestierende, stehen gebliebene oder unvollständige Entwicklung der geistigen Fähigkeiten mit besonderer Beeinträchtigung von Fertigkeiten, die zum Intelligenzniveau beitragen, wie z. B. Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten.

Eine Intelligenzminderung kann allein oder zusammen mit einer anderen psychischen oder körperlichen Störung auftreten. Intelligenzgeminderte Personen können an allen psychiatrischen Störungen erkranken; in dieser Population ist die Prävalenzrate für andere psychiatrische Störungen mindestens drei- bis viermal so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Außerdem besteht für intelligenzgeminderte Personen ein größeres Risiko, ausgenutzt sowie körperlich und sexuell missbraucht zu werden. Das Anpassungsverhalten ist stets beeinträchtigt, eine solche Anpassungsstörung muss aber bei Personen mit leichter Intelligenzminderung in geschützter Umgebung mit Unterstützungsmöglichkeiten nicht auffallen.

Mit der vierten Stelle kann das Ausmaß der Verhaltensbeeinträchtigung klassifiziert werden, wenn diese sich nicht auf eine andere Störung bezieht.

F7x.0 keine oder geringfügige Verhaltensstörung

F7x.1 deutliche Verhaltensstörung, die Beobachtung oder Behandlung erfordert

F7x.8 sonstige Verhaltensstörung

F7x.9 ohne Angabe einer Verhaltensstörung

Wenn die Ursache der Intelligenzminderung bekannt ist, dann hat eine zusätzliche

Kodierung mittels einer anderen ICD-10-Diagnose zu erfolgen (z. B. F72 schwere Intelligenzminderung plus EDD kongenitales Jodmangelsyndrom).

Eine Intelligenzminderung schließt zusätzliche Diagnosen der anderen Abschnitte des Kapitels V (F) nicht aus. Kommunikationsschwierigkeiten machen es aber mehr als sonst nötig. die Diagnose auf objektiv beobachtbare Symptome zu stützen, wie bei einer depressiven Episode z. B. auf psychomotorische Verlangsamung, Appetit-und Gewichtsverlust und Schlafstörung.

Diagnostische Leitlinien:

Intelligenz ist kein einheitliches Phänomen, sondern setzt sich mehr oder weniger aus einer großen Anzahl verschiedener, spezifischer Fertigkeiten zusammen.

Trotz der generellen Tendenz aller dieser Fertigkeiten, sich bei jedem Individuum zu einem vergleichbaren Niveau zu entwickeln, können vor allem bei Personen mit Intelligenzminderung große Unterschiede bestehen. So können auf dem Hintergrund schwerer Intelligenzminderung in einem bestimmten Bereich (beispielsweise der Sprache) schwere Beeinträchtigungen und in einem anderen (beispielsweise bei einfachen visuellen, räumlichen Aufgaben) eine besondere Geschicklichkeit feststellbar sein. Dies führt zu Problemen bei der Bestimmung der diagnostischen Kategorie, der ein Intelligenzgeminderter unterzuordnen ist. Die Einschätzung der Intelligenz sollte auf allen verfügbaren Informationen beruhen. Dazu gehören klinischer Eindruck, Anpassungsverhalten gemessen am kulturellen Hintergrund des Individuums, und die psychometrische Leistungsfähigkeit.

Für die endgültige Diagnose muss ein vermindertes Intelligenzniveau mit der Folge der erschwerten Anpassung an die Anforderungen des alltäglichen Lebens bestehen. Begleitende psychische oder körperliche Krankheiten haben einen großen Einfluss auf das klinische Bild und auf den Einsatz jedweder Fertigkeiten. Die gewählte diagnostische Kategorie soll sich deshalb auf eine umfassende Einschätzung der Fähigkeiten und nicht auf einen einzelnen Bereich spezifischer Beeinträchtigung oder Fertigkeit stützen. Die angegebenen IQ-Werte sind als Richtlinien gemeint und sollten im Hinblick auf die Problematik der transkulturellen Vergleichbarkeit nicht zu starr angewendet werden.

Die unten angegebenen Kategorien stellen eine willkürliche Einteilung eines komplexen Kontinuums dar und können nicht mit absoluter Genauigkeit voneinander abgegrenzt werden. Der IQ sollte anhand von standardisierten, auf die jeweiligen kulturellen Gegebenheiten adaptierten, individuell angewandten Intelligenztests bestimmt werden. Der jeweilige Test ist unter Berücksichtigung des individuellen Leistungsniveaus und zusätzlicher spezifischer Behinderungen, wie Sprachproblemen, Hörverminderung und körperlichen Schwierigkeiten auszuwählen. Mit Skalen zur Beurteilung der sozialen Reife oder Anpassung, ebenfalls mit kulturspezifischen Normen, erhält man durch Interviews mit Eltern und Betreuern zusätzliche Informationen, die mit den Fertigkeiten des Betreffenden im alltäglichen Leben vertraut sind. Ohne die Anwendung standardisierter Verfahren muss die Diagnose vorläufig bleiben.

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