G. Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (F5) – Essstörungen, Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen
Essstörungen (F50)
Essstörungen werden als Verhaltensstörung bezeichnet, die meist ernsthafte und langfristige Gesundheitsschäden nach sich ziehen. Zentral ist die ständige gedankliche und emotionale Beschäftigung mit dem Thema „Essen“. Sie betrifft die Nahrungsaufnahme oder deren Verweigerung und hängt mit psychosozialen Störungen und mit der Einstellung zum eigenen Körper zusammen. Esssüchtige essen zwanghaft und denken dauernd an „Essen“ und an die Folgen für ihren Körper. Sie essen entweder zu viel oder sie kontrollieren ihr Gewicht mit komplizierten Systemen von Essen, Diäten, Fasten und Bewegung.
Esssucht führt häufig zu Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas), mit den zugehörigen gesundheitlichen und sozialen Problemen. Übergewichtige fühlen sich oft als Versager und Außenseiter.
Folgende Arten von Essstörungen werden unterschieden:
• Anorexia nervosa (Magersucht)
• Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht)
• Psychogene Adipositas (Binge Eating Disorder (Fressattacken)
Anorexia nervosa (F50.0)
Synonym: Magersucht
Die Magersucht (Anorexia nervosa) ist die bekannteste und auch nach außen hin auffälligste Essstörung. Sie ist durch einen absichtlich und selbst herbeigeführten oder aufrechterhaltenen Gewichtsverlust charakterisiert. Es liegt meist Unterernährung unterschiedlichen Schweregrades vor, die sekundär zu endokrinen und metabolischen Veränderungen und zu körperlichen Funktionsstörungen führt. Durch Hungern und Kalorienzählen wird versucht, dem Körper möglichst wenig Nahrung zuzuführen, durch körperliche Aktivitäten soll der Energieverbrauch gesteigert werden. Die betroffene Person sieht dabei den eigenen körperlichen Zustand häufig nicht, sie empfindet sich als zu dick, auch noch mit extremem Untergewicht (Körperschemastörung).
Bulimia nervosa (F50.2)
Synonym: Bulimia nervosa, Fress-Brech-Sucht (wörtlich: „Ochsenhunger“)
Menschen, die an Bulimie leiden, schwanken meist zwischen zwei Extremen:
Entweder sie halten strikte Diät, oder sie essen sich voll.
Bei ihren Heißhungerattacken, die sie selbst als „Fressanfälle“ bezeichnen, werden riesige Mengen an Nahrungsmitteln verschlungen. Weil sie panische Angst davor haben, „dick“ zu werden, erbrechen die Betroffenen anschließend oder schlucken Abführmittel oder Entwässerungspillen. Ein solches Verhalten zieht natürlich zum Teil schwerwiegende körperliche Folgeschäden nach sich.
Bei einer schweren Bulimie folgen die Ess-Anfälle immer rascher aufeinander, oft mehrmals am Tag. Das kann fast so sehr ins Geld gehen wie Drogenkonsum.
Bulimie ist meist eine heimliche Krankheit.
Im Gegensatz zur Magersucht leben die Betroffenen nach außen angepasst, nehmen am gesellschaftlichen Leben teil und haben auch sexuelle Beziehungen.
Sie leiden jedoch unter heftigen Schuld- und Schamgefühlen, die zu schweren Depressionen und sogar zu Selbstmordgedanken führen können.
Meist sind sie sich durchaus bewusst, dass mit ihnen „etwas nicht stimmt“, tun aber alles, um eine „normale“ Fassade aufrecht zu erhalten.
Die Betroffenen haben häufig Normalgewicht, jedoch mit starken Gewichtsschwank-ungen, oft gepaart mit einer gestörten Wahrnehmung des eigenen Körpers.
Sexuelle Funktionsstörungen (F52)
Sexualität ist ein zentraler Aspekt des Menschseins während des gesamten Lebens. Sie beinhaltet das Geschlecht, die Geschlechtsidentität, und die Geschlechtsrollen, die sexuelle Orientierung, Erotik, Spaß und Freude, Intimität und Fortpflanzung und wird erfahren und ausgedrückt durch Gedanken, Phantasien, Wünsche und Begierden, Glauben und Einstellungen, Werte, Verhaltensweisen, Praktiken, Rollen und Beziehungen.
Von einer sexuellen Dysfunktion oder sexuellen Funktionsstörung spricht man, wenn individuelle Ansprüche an eine erfüllte Sexualität nicht erreichbar sind, die Person also unter Leidensdruck steht.
Man unterscheidet zwischen
• primären (lebenslang bestehenden)
• sekundären (erworbenen)
• generalisierten (stets vorhanden)
• situativen (nur in bestimmten Situationen auftretenden) sexuellen Dysfunktionen. Sexuelle Funktionsstörungen können eine rein psychische, rein physische Ursache haben oder durch sowohl psychische als auch physische Probleme bedingt sein.
Sexuelle Funktionsstörungen können
• vorübergehend oder
• anhaltend
auftreten und betreffen folgende Bereiche / Phasen:
• Appetanzphase (Lust / Interesse)
• Erregungsphase
• Orgasmusphase
• Entspannungsphase.
Organische Ursachen müssen immer ausgeschlossen werden
Störungen der Geschlechtsidentität (F64)
Transsexualismus:
Liegt vor, wenn ein Mensch körperlich eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht angehört, sich jedoch als Angehöriger des anderenGeschlechts empfindet und danach strebt, sich auch körperlich diesem Geschlecht so gut wie möglich anzunähern.
Es besteht der Wunsch nach hormoneller und chirurgischer Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht so weit wie möglich anzupassen. Aus chirurgischer Sicht ist die Umwandlung vom Mann zur Frau erfolgreicher. Die Mann-zu-Frau-Transsexualität
kommt etwa zwei- bis dreimal häufiger vor als die Frau-zu-Mann-Transsexualität.
Therapie:
Aufgrund des hohen Leidensdrucks ist die Geschlechtsumwandlung das Mittel der
Wahl. Die hierfür gültigen Bestimmungen sind im Transsexuellen-Gesetz geregelt.
Störungen der Sexualpräferenz (F65)
Synonym: Perversionen, Paraphilien
Es treten über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten ungewöhnliche sexuell erregende Phantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen auf, die sich auf
• ungewöhnliche Gegenstände oder
• ungewöhnliche Aktivitäten (Demütigung von sich selbst oder anderer) oder
• Kinder oder andere nicht einwilligungsfähige
beziehen.
Häufig besteht ein suchtähnlicher Charakter mit Verlust der Impulskontrolle.
Oft ist der sexuelle Kontakt von ausgeprägter sexueller Selbstunsicherheit geprägt.
Man unterscheidet:
• Fetischismus
• Sodomie
• Nekrophilie
• Transvestitismus
• Exhibitionismus
• Voyeurismus
• Pädophilie
• Päderastie
• Sadomasochismus
• Sadismus
• Masochismus
Schlafstörungen
Schlafstörungen sind Abweichungen vom gesunden Schlafverhalten und werden wie folgt unterteilt:
Weitere Schlafstörungen:
Einschlafstörung:
Betroffene liegen quälend lange wach, in Extremfällen sogar stundenlang, bis sie einschlafen, oft nach ungewohnter körperlicher oder geistiger Anstrengung. Teilweise fühlen sie sich unruhig und machen sich in dieser Wachphase viele Gedanken. Sie können nicht abschalten und sagen sich, dass es vernünftiger ist, einzuschlafen. In Extremfällen kommt es zu einer Art Schlaflosigkeit. Die eine Seite versucht einzuschlafen, die andere hält sie davon ab. Die Gedanken und Gefühle, die normalerweise im REM-Schlaf verarbeitet werden, kommen quälend in unwirklichen Phantasien vor das innere Auge des Betroffenen. Ab etwa 3 Stunden Schlaflosigkeit ist es beinahe unmöglich, noch einzuschlafen. Oft schlafen betroffene Personen die ganze Nacht nicht ein. Besonders unangenehm ist daraufhin der nächste Tag.
Von Einschlafstörungen betroffene Menschen haben eine sehr viel höhere Gefahr, manisch oder chronisch depressiv zu werden.
Durchschlafstörung:
Der Schlaf ist oberflächlich und nicht durchgehend, man wacht häufig auf, jedoch ohne körperliche Ursachen, wie Durst oder Harndrang.
Vorzeitiges Erwachen:
Man wacht nach objektiv und subjektiv zu kurzem Schlaf auf und kann nicht mehr einschlafen. Der Betroffene liegt im Bett, wünscht sich, wieder einzuschlafen und liegt quälend lange wach. Unter vorzeitigem Erwachen leiden häufig ältere Menschen (siehe auch: senile Bettflucht).